Zur feierlichen Grundsteinlegung der neuen BeneVit Senioreneinrichtung in Reute haben der Bauherr Kaspar Pfister zusammen mit Reutes Bürgermeister Michael Schlegel eingeladen. Rund 100 Gäste kamen am sonnigen Nachmittag auf die weitläufige Baustelle, um die Grußworte aus Politik und Verwaltung zu hören und den Start eines ambitionierten Vorhabens miteinander zu feiern.
Grußworte überbrachten Alexander Schoch, MdL, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN sowie Peter Weiß, CDU, MdB a.D. und Bundeswahlbeauftragter für Sozialversicherungswahlen, außerdem die Sozialdezernentin im Landratsamt Emmendingen, Dr. Ulrike Kleinknecht-Strähle und der stellvertretende Geschäftsführer der AOK Südlicher Oberrhein, Volker Przibilla. Es feierten auch alle mit, die direkt eingebunden waren in die Suche nach einem passenden Konzept der Altenhilfe für Reute: die Mitarbeiter im Rathaus, die Mitglieder des Gemeinderats und des Arbeitskreises Seniorenwohnen. Zusammen mit Bürgermeister Schlegel und Pflegeheimbetreiber Kaspar Pfister haben sie die Umsetzung des neuen Konzepts für die Gemeinde vorangetrieben. Entschieden haben sie sich für das Modellprojekt „stambulant“, das im Haus Rheinaue in Wyhl längst umsetzt, was man sich in Reute für die Zukunft wünscht.
Das „stambulante Konzept“ ist ein Arbeitstitel, der in Reute einen gefälligeren Namen bekommt: BeneVit LebenPlus. Im Rahmen eines stationären Settings in vier autarken Wohnungen für je 14 Bewohner werden pflegerische Leistungen ambulant erbracht und abgerechnet. Auf diese Weise sinkt der Eigenanteil der Leistungen gegenüber dem klassischen Pflegeheim-Modell um rund 900 Euro pro Monat und Bewohner. Dabei kann die Pflege und Versorgung der Bewohner auf qualitativ hochwertigem Niveau noch individueller organisiert werden. Angehörige können z.B. hauswirtschaftliche Aufgaben oder Tätigkeiten der Grundpflege übernehmen und erhalten dafür Pflegegeld (vergleichbar mit der Angehörigenpflege zu Hause). Jede Wohnung hat einen eigenen zentral gelegenen Wohn-, Ess- sowie Kochbereich und ist mit einem Holzofen im Wohnzimmer sowie großen, überdachten Balkonen bzw. Terrassen ausgestattet.
Alter braucht Leben, so lautet das BeneVit-Motto, deshalb werden die alltäglichen Aufgaben von Präsenzkräften gemeinsam mit den Bewohnern erledigt. Examinierte Pflegefachkräfte sichern die Qualität und sorgen mit Unterstützung durch ambulante Dienste für eine gute Pflege. Das Zusammenleben wie in einer WG unterstützt und wertschätzt die Individualität und die Eigenständigkeit jedes einzelnen Bewohners. Eine lebensbejahende, fröhliche Grundhaltung trägt diese Gemeinschaft. Das Erleben von Zuwendung, Fürsorge und Respekt ist verbunden mit jeder Menge Lebensfreude und Spaß, der wie von alleine entsteht, wenn man den Alltag in der Wohnung, in der Hausgemeinschaft mit seinen Mitbewohnern und den Mitarbeitern zusammen gestaltet: Zusammen die Hasen versorgen, Holz für den Kaminofen reintragen, backen, Lieblingsgerichte kochen, bügeln, Socken stricken oder Pläne machen: für das Essen der nächsten zwei Wochen, den Einkauf, für Ausflüge und Aktivitäten.
Das Konzept unterscheidet sich somit deutlich von üblichen Pflegeheimen mit Zentralküche, Zentralwäscherei, Zentraleinkauf. Mit seiner Lage und dieser besonderen Art des Zusammenlebens öffnet sich das Haus und wird so ganz selbstverständlich Teil des Gemeindelebens. Das hob Alexander Schoch in seinem Grußwort besonders hervor: „Ich freue mich, dass man sich in Reute entschieden hat, das Projekt BeneVit LebenPlus zum Teil der neuen Ortsmitte zu machen. Die Seniorinnen und Senioren, die Unterstützung im Alltag bis hin zur Pflege benötigen, gehören genau da hin: in die Mitte des Ortes, in die Mitte der Gesellschaft. Sie haben damit die Möglichkeit, in ihrer Heimatgemeinde und in den gewohnten sozialen Strukturen, nahe bei Freunden und Familie alt werden zu können.“
Wie umfangreich die Bemühungen aller bis zur heutigen Grundsteinlegung gewesen waren, fasste der ehemalige Bundestagabgeordnete Weiß in seinem Grußwort so zusammen: „Viele Jahre schon ringen wir gemeinsam für die gesetzliche Verankerung des von BeneVit entwickelten stambulanten Konzepts. Nach einer Modellphase von über fünf Jahren und einer so eindeutigen überparteilichen Einigkeit muss endlich der Schritt getan werden, der für die Pflegebedürftigen und die Beschäftigten in der Pflege eine große Wende bedeutet. Gerade beweisen wir Deutschen uns und der ganzen Welt, das wir Kehrtwende und Paradigmenwechsel können, das muss jetzt auch für „stambulant“ gehen.“
Auch für Michael Schlegel gab es diesbezüglich keine zwei Meinungen: Der Bürgermeister der Gemeinde Reute ist „davon überzeugt, dass Reute ein Leuchtturmprojekt bekommt und das BeneVit Haus mit seinem „stambulanten“ Konzept ein zentraler Baustein unseres Dorfentwicklungskonzeptes ist.“ Er dankte dem Arbeitskreis für Seniorenwohnen, dessen Mitglieder sich dafür so stark gemacht hatten.
Volker Przibilla sah bestätigt, dass alle dasselbe Ziel verfolgen: „Die AOK Baden-Württemberg hat ein Versprechen abgegeben, welches wir GESUNDNAH nennen. Damit meinen wir zum einen natürlich die räumliche Nähe – wir wollen da sein, wo man uns braucht – wir meinen aber auch in ganz besonderem Maß die emotionale Nähe. Hier sehe ich Parallelen zum BeneVit LebenPlus Haus. Ich bin davon überzeugt, dass hier etwas entsteht, das die Gemeinde bereichern wird, etwas, was auch in den Nachbargemeinden und weit über die Gemarkungsgrenzen hinweg Beachtung finden wird.“
In seinem Dank an alle Beteiligten schätzte sich der Bauherr Kaspar Pfister sehr glücklich über die breite Allianz der Befürworter: „Seit Jahren bemühen wir uns um eine Aufnahme im Gesetz als Regelleistung, und mit „wir“ meine ich alle Beteiligten. Noch im Herbst haben sich 23 Bürgermeister aus Baden-Württemberg, Bayern und dem Saarland in einer gemeinsamen Initiative an Bundes- und Landespolitik gewandt und die Verankerung des „stambulanten Konzeptes“ im Gesetz als Rechtsgrundlage eingefordert. Die Pflegekassen, allen voran die AOK, sehen eine Zukunft für das stambulante Konzept, das grüne Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg unter der Leitung von Minister Lucha befürwortet es ebenso wie der bayerische Gesundheitsminister Holetschek – unterstützt durch einstimmigen Landtagsbeschluss. Die pflegepolitischen Sprecher der SPD und der CDU/CSU haben sich zu stambulant bekannt, ebenfalls der ehemalige Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus. Die Abgeordneten Dr. Fechner, Yannick Burry und Alexander Schoch kämpfen dafür genauso wie Peter Weiß und Frau Dr. Kleinknecht-Strähle. Das gibt mir, das gibt uns allen Hoffnung und Zuversicht, dass wir bald eine gesetzliche Grundlage für diese neue Mischform in der Altenhilfe haben werden.“
Eine gemeinsam unterzeichnete Urkunde wurde zusammen mit der Menschenrechts-Charta, Euromünzen, einer Ausgabe des 2020 erschienen Buchs „Wer gebraucht wird, lebt länger“ von Kaspar Pfister sowie einer aktuellen Tageszeitung in einer Zeitkapsel in das Fundament des neuen Gebäudes eingemauert. Gefeiert wurde das Bündnis beim anschließenden Umtrunk mit einem zünftigen Imbiss.
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